Dienstag, 27. August 2013

TAG 26, Die Crew löst sich auf! Wie wird es weiter gehen...?

Traismauer – Altenwörth

Morgens sind alle wie gerädert. Seit einer Woche wird ohne Pause gepaddelt, gerade für Lisa und Paida ist das hart, ihre Körper mussten sich an einiges gewöhnen und sind jetzt am Ende ihrer Kräfte. Außerdem ist die Zeit, die sie zur Verfügung hatten, nun abgelaufen. Paida zieht nach Italien, Lisa schreibt ihre Bachelorarbeit und arbeitet an ihrer nächsten Performance. Auch Umut wird uns verlassen. Hätten wir es bis Serbien geschafft, wäre er geblieben, denn sein Visum für Europa läuft bereits ab. In Belgrad auf uns zu warten ist keine Option mehr, Quetzal ist zu langsam unterwegs. Er will sich für ein Stipendium bewerben und muss sich bald um seine Unterlagen kümmern.



Wir überlegen, was wir tun sollen. Am liebsten würden die beiden am Abend aufbrechen, nach Leipzig und Venedig. Ich finde, sie sollten davor dringend Wien sehen. Also entscheiden wir gemeinsam, dass wir ein bisschen schummeln, das Boot gegen Nachmittag liegenlassen und dann den Rest des Weges mit dem Zug zurücklegen.

Es geht unglaublich zäh voran, vor uns liegt eine Schleuse, die Donau ist mehr See und stehendes Gewässer als flinke Wasserstraße. Wir freuen uns trotzdem darüber, dass wir an unseren Geburtsdaten vorbeikommen, den Kilometern: 1988, 1984, 1980 und 1979.

Nach 10 km und einigen Stunden erreicht das Boot das Kraftwerk Altenwörth. Weil die Sportbootschleusung erst in 45 Minuten beginnt, binden wir Quetzal an der Kaimauer fest, legen uns in Gras und haben Zeit, uns über den Verlauf der Reise auszutauschen. (Was dabei herauskam lesen Sie im nächsten Post: METAEBENE - ERSTE AUSWERTUNG.) Gerade hat sich für fast alle etwas ergeben, das sie zurückruft vom Fluss. Sergio und ich hatten gehofft, dass Umut noch bleiben könnte, müssen aber mit den neuen Gegebenheiten umgehen. An sich wurde das Boot für zwei Personen gebaut, weiterzufahren ist für uns immer noch möglich. Wie es uns zwei Kajakfahrerschon kurz nach Deggendorf vorhergesagt hatten, ist: "..die Fahrt bis zum Schwarzen Meer möglich, solange ihr sehr viel Zeit habt..."
Was wir genau tun werden, entscheiden Sergio und ich in den nächsten Tagen.

Der Lautsprecher krächzt: "Achtung, fertig machen zur Schleusung!" und reist uns aus unseren Gedanken.
Alle springen an Bord und rudern los. Außer uns ist kein anderes Schiff zu sehen, wir sind die einzigen in der Schleusenkammer und finden das einen krönenden Abschluss für den ersten Teil der Reise des "Boat to Istanbul".


PARKPLATZSUCHE 
In einem Altwasserarm suchen wir einen Ort für das Boot. Es gibt keine Strömung, viele alte Schiffe liegen verwaist am Ufer, der Ort scheint optimal zu sein. Als Sergio aussteigt, um uns zu ziehen, versinkt er knietief im Schlamm. Mit Hilfe der Paddel schieben wir uns bis wenige Meter vorm Strand vorwärts, dann zerren wir die Quetzal gemeinsam ans Ufer und machen sie wetterfest.





AUF DER SUCHE NACH EINEM BAHNHOF 
Als unsere Füße wieder festen Boden betreten, schwankt er für Lisa noch immer ein bisschen, Gehen fühlt sich ungewohnt an. Mittlerweile ist es sieben Uhr abends geworden. Wir streifen durch einen schönen verwunschenen Wald, er ist grün und verwachsen, Ranken und Bäume duften süß.

Im nahen, winzigkleinen  Dorf fragen wir nach Bussen, Zügen. Ein alter Mann antwortet uns freundlich, muss uns leider in den nächsten großen Ort schicken, hier gibt es so etwas nicht. Die Sonne steht schon tief, wir hoffen den Bahnhof vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Als wir gerade am kleinen Fußballplatz vorbeigehen, zwischen den Feldern, hält ein Auto neben uns. Der alte Mann hat sich ein Herz gefasst, er lächelt stolz und fährt uns in zwei Fuhren nach Kirchberg am Wagram. Dabei erzählt er mir, dass sie eine Art „vergessenes Dorf“ seien. Alles sei nach und nach verschwunden, die Läden, die Schule, die jungen Menschen. Trotzdem, er sieht fröhlich aus, seine Miene ist hell und gütig und er grinst fröhlich in sich hinein, als wir ihm überschwänglich für die Hilfe danken.

Nachts erreichen wir Wien. Gerhard bringt uns in der Wohnung seiner Nachbarin und guten Freundin Theresa unter. Als uns auffällt, dass wir uns alle in der kleinen Küche aufhalten, obwohl die Wohnung mehr Platz zu bieten hat, merken wir, wie sehr wir es schon gewöhnt sind, auf engem Raum zusammen zu leben.

Nach dem Essen fachsimpeln Umut und Gerhard über Kameras, Gerhard ist Sound- und Videokünstler und arbeitet unter dem Pseudonym PRCLS.

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