Welche Erwartungen hatten wir? Sind sie eingetroffen? Was haben
wir da eigentlich zusammen erlebt?
Es ist der 26. Tag unserer Reise, der 15.8.2013.
Sergio, Umut und ich waren 3 Wochen auf dem Boot,
Lisa ist seit zwei Wochen dabei, davon eine Woche auf dem Wasser.
Paida kam dazu, als wir den Jachtclub bei Linz nach einer Reparatur verließen, rudert seit einer Woche mit uns.
Außer Sergio und mir verlassen heute alle das Boot.
Wir sitzen im Gras und warten
darauf, unsere letzte Schleuse passieren zu können. Beginnen eine erste Auswertung des Projekts. Paida stellt
viele Fragen und es kristallisiert sich heraus, dass Sergio und ich unterschiedliche Wünsche für die Reise hatten.
Er: Ein Boot zu
bauen, dass die Strecke leisten kann. Ich: Die Donau mit einem Boot
bis zum Schwarzen Meer zu befahren. Künstler mitnehmen, die dann auf
der Reise ihre Eindrücke verarbeiten.
Im Endeffekt sind wir aber beide mit
dem Resultat zufrieden. Wir hatten uns auf eine längere Strecke
eingestellt, haben uns von allen Verpflichtungen losgesagt und uns
vorgenommen, offen zu sein und auf das zu reagieren, was uns
auf dem Weg begegnet. Da ist sie nun, die nächste Situation, die aussieht wie ein Problem, und aus der wir jetzt eine Lösung, eine neue Möglichkeit zimmern wollen! Unsere Entscheidung, wie es genau für uns weitergehen soll, vertagen wir und sprechen weiter über das Erlebte.
WAS MUSS SICH ÄNDERN; DAMIT DIE MOTIVATION HOCH BLEIBT?
THE ROUTINE IS KILLING ME..
Unter welchen Umständen würden unsere Mitfahrer dabei bleiben?
Welche Veränderungen würde das Projekt brauchen? Umut sagt: "I am an
artist. This routine is killing me." Und er hat Recht - neben
Paddeln, Nachtlager suchen, Schlafen, Essen..- haben wir kaum Zeit
für andere Dinge gehabt. Würden wir mehr Raum geben, für die
künstlerische Arbeit, dafür, die Orte am Fluss näher in
Augenschein zu nehmen, oder überhaupt mit mehr Muse an schönen
Plätzen zu verweilen, dann könnten sich einige vorstellen, sehr
viel länger dabei zu bleiben. So wie wir unterwegs waren, flacht die Motivation für eine
Besatzung, die nicht aus geübten Extremsportlern, sondern
freigeistigen Künstlern besteht, nach maximal drei Wochen erst mal
ab.
Es ist interessant zu beobachten, dass sich die Fahrt, je nachdem,
welche Leute im Boot sitzen, anders gestaltet. Was; wenn alle Extremsportler oder Abenteuerreisende gewesen wären?
Sergio und ich haben gezielt
Künstler ausgesucht, die sich etwas Anderes davon versprechen, als
lediglich etwas festere Oberarme und eine ausgiebige Sonnenbräune
außerhalb der T-Shirtzone mit nach Hause zu nehmen.
Unsere Mitfahrer wollten zum Teil mehr
beobachten, sammeln, erleben und gestalten. Auch wenn ich mir das
theoretisch vorher erhofft hatte, zeigt sich die wirkliche
Umsetzbarkeit dessen erst auf der Reise. Es ist möglich, die
Rahmenbedingungen müssen dem nur besser angepasst werden - wir
brauchen mehr Pausen, mobiles Internet und besseres Equipment.
SCHNELL SEIN ODER VIEL SEHEN?
Außerdem standen sich zwei unterschiedliche Erwartungen
gegenüber, die erst konträr erscheinen, dann aber miteinander in
den Dialog treten mussten, denn anders hätten wir gar nicht weiter
machen können: Auf der einen Seite die, weit zu kommen, an
körperliche Grenzen zu gehen - auf der anderen Seite die, den Fluss
zu genießen, sich weniger anzustrengen und die Eindrücke
aufzusaugen.
DER ALLTAG AN BORD
Sergio beim Wasser Auspumpen
Nur totale Multitasking-Genies können Beides leisten. Weil man
auf dem Fluss permanent wach sein muss, um Schiffen früh genug
auszuweichen, das Boot im richtigen Winkel zu Wellen zu
positionieren, auf die Strömung und den Wind zu reagieren, das
(noch immer) langsam einsickernde Wasser auszupumpen, kann man nichts
parallel tun, das längere Konzentration als die eines Goldfisches -
ca 3 Minuten - erfordert.
Tiefsinnige Gespräche werden regelmäßig
von Steuerkomandos unterbrochen. Wenn eine
Situation brenzlig wird, verliert schnell jemand die Nerven, wenn er
den anderen dabei ertappt, wie er filmt, anstatt zu rudern.
Andererseits ist man dann so unglaublich glücklich darüber, wenn es
Videomaterial gibt, über Momente, die sich dann ja sowieso haben
lösen lassen, auch ohne dass alle gleichermaßen Aktionismus an den
Tag legen mussten, fiebrig waren vor Aufregung.
FAZIT
Was wir von dieser Bootsreise erwartet haben, in der praktischen
Erfahrung dann wirklich konnten und wollten, haben wir jetzt alle
erlebt und verstanden. Wir haben die Alltagsroutine, das Steuern, Segeln und die Gruppendynamik begriffen - und könnten uns jetzt dem Eigentlichen widmen. Nun wäre eigentlich der Moment gekommen, die
Weichen für Veränderungen zu stellen. Die Weiterreise so zu
gestalten, dass sie alle wieder stimuliert und die Neugier über die
Müdigkeit siegen kann. Die Umstände haben sich verändert, was wir
jetzt wissen, wird nicht sofort umgesetzt werden, sondern vertagt.
Sergio und ich lernen, dass wir selbst noch mehr führen können,
klarer definieren sollen, was wir wollen, die Mitfahrer darin
einbinden und dann die kleinen Ziele, die wir jeden Tag erreichen,
ausreichend markieren und zelebrieren, um den Anreiz, dabei zu
bleiben, größer zu machen.
Selbst wenn es nun erst mal vorbei ist mit der Besatzung Nummer 1-
sind alle glücklich über diese spannende Erfahrung. Wir saßen alle
im selben Boot. Nach kurzer Zeit fand jeder seinen Platz im Gruppengefüge,
heraus kam das, was wir uns alle gewünscht hatten: eine intensive Erfahrung, in der wir nur vorankamen, weil wir
gemeinsam Lösungen fanden.