Mittwoch, 28. August 2013

METAEBENE - ERSTE AUSWERTUNG

Welche Erwartungen hatten wir? Sind sie eingetroffen? Was haben wir da eigentlich zusammen erlebt? 

Es ist der 26. Tag unserer Reise, der 15.8.2013.
Sergio, Umut und ich waren 3 Wochen auf dem Boot,
Lisa ist seit zwei Wochen dabei, davon eine Woche auf dem Wasser.
Paida kam dazu, als wir den Jachtclub bei Linz nach einer Reparatur verließen, rudert seit einer Woche mit uns.

Außer Sergio und mir verlassen heute alle das Boot.

Wir sitzen im Gras und warten darauf, unsere letzte Schleuse passieren zu können. Beginnen eine erste Auswertung des Projekts. Paida stellt viele Fragen und es kristallisiert sich heraus, dass Sergio und ich unterschiedliche Wünsche für die Reise hatten.

Er: Ein Boot zu bauen, dass die Strecke leisten kann. Ich: Die Donau mit einem Boot bis zum Schwarzen Meer zu befahren. Künstler mitnehmen, die dann auf der Reise ihre Eindrücke verarbeiten.

Im Endeffekt sind wir aber beide mit dem Resultat zufrieden. Wir hatten uns auf eine längere Strecke eingestellt, haben uns von allen Verpflichtungen losgesagt und uns vorgenommen, offen zu sein und auf das zu reagieren, was uns auf dem Weg begegnet. Da ist sie nun, die nächste Situation, die aussieht wie ein Problem, und aus der wir jetzt eine Lösung, eine neue Möglichkeit zimmern wollen! Unsere Entscheidung, wie es genau für uns weitergehen soll, vertagen wir und sprechen weiter über das Erlebte.


WAS MUSS SICH ÄNDERN; DAMIT DIE MOTIVATION HOCH BLEIBT?

THE ROUTINE IS KILLING ME.. 
Unter welchen Umständen würden unsere Mitfahrer dabei bleiben? Welche Veränderungen würde das Projekt brauchen? Umut sagt: "I am an artist. This routine is killing me." Und er hat Recht - neben Paddeln, Nachtlager suchen, Schlafen, Essen..- haben wir kaum Zeit für andere Dinge gehabt. Würden wir mehr Raum geben, für die künstlerische Arbeit, dafür, die Orte am Fluss näher in Augenschein zu nehmen, oder überhaupt mit mehr Muse an schönen Plätzen zu verweilen, dann könnten sich einige vorstellen, sehr viel länger dabei zu bleiben. So wie wir unterwegs waren, flacht die Motivation für eine Besatzung, die nicht aus geübten Extremsportlern, sondern freigeistigen Künstlern besteht, nach maximal drei Wochen erst mal ab.

Es ist interessant zu beobachten, dass sich die Fahrt, je nachdem, welche Leute im Boot sitzen, anders gestaltet. Was; wenn alle Extremsportler oder Abenteuerreisende gewesen wären?

Sergio und ich haben gezielt Künstler ausgesucht, die sich etwas Anderes davon versprechen, als lediglich etwas festere Oberarme und eine ausgiebige Sonnenbräune außerhalb der T-Shirtzone mit nach Hause zu nehmen.

Unsere Mitfahrer wollten zum Teil mehr beobachten, sammeln, erleben und gestalten. Auch wenn ich mir das theoretisch vorher erhofft hatte, zeigt sich die wirkliche Umsetzbarkeit dessen erst auf der Reise. Es ist möglich, die Rahmenbedingungen müssen dem nur besser angepasst werden - wir brauchen mehr Pausen, mobiles Internet und besseres Equipment.


SCHNELL SEIN ODER VIEL SEHEN?

Außerdem standen sich zwei unterschiedliche Erwartungen gegenüber, die erst konträr erscheinen, dann aber miteinander in den Dialog treten mussten, denn anders hätten wir gar nicht weiter machen können: Auf der einen Seite die, weit zu kommen, an körperliche Grenzen zu gehen - auf der anderen Seite die, den Fluss zu genießen, sich weniger anzustrengen und die Eindrücke aufzusaugen. 


DER ALLTAG AN BORD


 
Sergio beim Wasser Auspumpen


Nur totale Multitasking-Genies können Beides leisten. Weil man auf dem Fluss permanent wach sein muss, um Schiffen früh genug auszuweichen, das Boot im richtigen Winkel zu Wellen zu positionieren, auf die Strömung und den Wind zu reagieren, das (noch immer) langsam einsickernde Wasser auszupumpen,  kann man nichts parallel tun, das längere Konzentration als die eines Goldfisches - ca 3 Minuten - erfordert.

Tiefsinnige Gespräche werden regelmäßig von Steuerkomandos unterbrochen. Wenn eine Situation brenzlig wird, verliert schnell jemand die Nerven, wenn er den anderen dabei ertappt, wie er filmt, anstatt zu rudern. Andererseits ist man dann so unglaublich glücklich darüber, wenn es Videomaterial gibt, über Momente, die sich dann ja sowieso haben lösen lassen, auch ohne dass alle gleichermaßen Aktionismus an den Tag legen mussten, fiebrig waren vor Aufregung.


FAZIT

Was wir von dieser Bootsreise erwartet haben, in der praktischen Erfahrung dann wirklich konnten und wollten, haben wir jetzt alle erlebt und verstanden. Wir haben die Alltagsroutine, das Steuern, Segeln und die Gruppendynamik begriffen - und könnten uns jetzt dem Eigentlichen widmen. Nun wäre eigentlich der Moment gekommen, die Weichen für Veränderungen zu stellen. Die Weiterreise so zu gestalten, dass sie alle wieder stimuliert und die Neugier über die Müdigkeit siegen kann. Die Umstände haben sich verändert, was wir jetzt wissen, wird nicht sofort umgesetzt werden, sondern vertagt. Sergio und ich lernen, dass wir selbst noch mehr führen können, klarer definieren sollen, was wir wollen, die Mitfahrer darin einbinden und dann die kleinen Ziele, die wir jeden Tag erreichen, ausreichend markieren und zelebrieren, um den Anreiz, dabei zu bleiben, größer zu machen.


Selbst wenn es nun erst mal vorbei ist mit der Besatzung Nummer 1- sind alle glücklich über diese spannende Erfahrung. Wir saßen alle im selben Boot. Nach kurzer Zeit fand jeder seinen Platz im Gruppengefüge, heraus kam das, was wir uns alle gewünscht hatten: eine intensive Erfahrung, in der wir nur vorankamen, weil wir gemeinsam Lösungen fanden.

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